GedankenLos
LUISE
I. Vergessen
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Luise Marquardt, mit einer dunklen Jeans, gutsitzender leichter Blouson-Jacke und schwarzweißen Sneakers leger und geschmackvoll gekleidet, überquert mit sicheren Schritten eine breite Straße, die um diese Uhrzeit wenig befahren ist. Es ist ein fast warmer, wunderschöner und ruhiger Frühsommermorgen. Weiches Sonnenlicht schimmert angenehm rosa auf Luises Teint und das kräftig dunkelbraune Haar fällt der Mittdreißigerin natürlich und locker über ihre Schultern. Sie geht zielstrebig auf einen schicken Geländewagen zu, der am Straßenrand parkt und steigt ein.
Luise zieht die Tür des Wagens zu. Das Blech fällt mit einem unerwartet satten und beruhigenden Klang ins Schloss. Ein vertrautes Geräusch, vielleicht wie ein Garant dafür, dass man sicher ankommen wird, was auch immer das Ziel sein mag, denkt Luise beiläufig. Während sie augenblicklich stutzt und sich im nächsten Moment fragt, wie denn ein Klang von einer Autotür Sicherheit garantieren kann. Sie verwirft weitere Gedanken in diese Richtung und kuschelt sich in den eingesessenen Fahrersitz aus Leder so, als wollte sie sich darin für lange Zeit richtig gemütlich machen. Sie schließt die Augen, atmet tief und länger durch die Nase Luft ein, hält kurz inne und atmet langsam durch den Mund die Luft wieder aus, als wäre sie am Ende einer Entspannungsübung angelangt. Ein Ritual, das ihr vertraut ist, denn die guttuende Wirkung lässt sie für einige Augenblicke tief und entspannt auf dem Leder ausruhen.
Sie schlägt ihre Augen auf und richtet ihren Blick zum Beifahrersitz, dessen schwarzer Lederbezug fast unangetastet anmutet. Sie betrachtet wohlwollend ein großes Paket, das in buntes und Geschenkpapier eingewickelt ist und das wie von magischen Händen auf dieser Sitzfläche abgelegt wurde. Drapiert mit einer festlich roten Schleife aus Satin, das freudig danach schreit, aufgebunden zu werden, damit der überraschende Inhalt zum Vorschein kommen kann. Dieses bunte Paket erweckt den Eindruck, dass es feierlich an einen besonderen, vielleicht kindlichen Empfänger übergeben werden soll. Ein zufriedenes Lächeln breitet sich über Luises Gesicht aus. Sie nimmt erneut einen tiefen und langen Luftzug durch die Nase, als wollte sie nun – anders als im Augenblick zuvor – diesen absehbar schönen Tag in sich einsaugen und für immer darin festhalten. Sie atmet langsam wieder aus und startet den Motor.
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Junge männliche Hände, mit kurzen leicht verschmutzten Fingernägeln und dreckig verklebten Fingerkuppen, versuchen zittrig und unsicher kleine fragile Plastikteile mit Klebstoff zusammenzusetzen. Der Kleber wird derart ungleichmäßig und dick aufgetragen, dass er sich beim Zusammenfügen über die jeweiligen Kanten der einzelnen kleinen Verbundstücke des Materials zähflüssig herauspresst und viel zu große und geleeartige Wülste erzeugt, die drohen wegzufließen. Die jungen Hände wischen den überschüssigen Klebstoff einfach mit den Fingern grob weg und streichen die Stellen mehrmals glatt, bis an den Klebestellen unansehnliche Schmiereffekte entstehen. Es handelt sich bei diesem Werkstoff, der unsauber aber zügig verarbeitet wird, um ein Modellbau-Kriegsflugzeug aus typisch hellgrauem Kunststoff, das so handelsüblich blank und roh daherkommt, wie man das eben kennt, wenn man schon einmal solche kleinen Modelle zusammengebaut hat.
Ein kleiner runder Pinsel wird in ein Farbtöpfchen getunkt. Die Finger pinseln das noch unfertige Flugzeug dermaßen schwungvoll und ungelenk mit signalroter Farbe an, dass der Auftrag misslingt und auf dem ersten Blick etwas unschön aussieht. Wenn man jedoch diesen Vorgang eher wohlmeinend betrachten könnte, würde man annehmen, dass diese expressive Handlung beinah wie beabsichtigt erscheint, fast schon so, als würde jemand künstlerisch sehr gewieft seine Pinselstriche setzen – als wüsste er ganz genau, was er da tut.
Denn die Kunst, gewollt oder vertrieben, verrückt oder entrückt, verletzlich oder ganz grob, leicht oder tonnenschwer, gekonnt oder naiv – aber sei’s drum, was auch immer sie ist oder sein will – unterliegt permanent der Deutungshoheit ‚betrachtender Individuen‘, die in einem Prozess der personifizierten ‚Eindringlichkeit‘, und vielleicht im schlimmsten Fall, in einem Anflug der Überheblichkeit und Anmaßung, das gesamtes ‚Bild‘ zuerst ersehen und dann erfühlen müssen, um die Kunst an sich und ihr Wesen zu erkennen und diese schließlich und letztendlich für sich selbst beurteilen und bewerten zu können, nicht wahr? Was aber, wenn der ‚Betrachtende‘ die Kunst nicht versteht? Oder keine Orientierung hat? Oder sich in seiner eigenen Zurschaustellung stattdessen gänzlich verliert? Wohin das tatsächlich führt, weiß keiner so genau, aber ansatzweise und hoffentlich zu einem ernsthaften und lebendigen Diskurs über die Ideen der Kunst und ihren geheimnisvollen und unergründlichen Möglichkeiten des Schöpferischen, des manchmal Surrealen, und dennoch:
Ab und an, und leider sehr oft, führt dieses ‚Ganze Hickhack‘ über die Kunst fälschlicherweise zu der Plattitüde ‚Schönheit liegt im Auge des Betrachters.‘ Und das kann sehr schmerzvoll sein, nicht nur für den Betrachter! Denn wir erinnern uns unter anderem – und als Beispiel – an Luis Buñuels berühmten Kurzfilm „Ein andalusischer Hund“, Un chien andalou, 1929.
Die Luft in diesem Raum ist durchtränkt von Gerüchen der Farben, diverser Klebstoffe, abgelegter und getragener Kleidungsstücke und jungem männlichen Schweiß. Dieses Duftgemisch aus Allem breitet sich wie ein unsichtbarer Nebel zu einer muffigen Parfümwolke aus, die sehnlichst darauf wartet, aus irgendeiner kleinen Ritze des Raums in die Freiheit der frischen Luft nach Draußen zu entweichen. Und von irgendwoher erklingt das vergnügliche, unrhythmische und leise Summen einer jungen männlichen Stimme, die sang- und klangvoll große Freude und Gelassenheit an ihrer kreativen Bastelarbeit verlautet. Doch plötzlich und ohne Grund rutscht die ‚malende‘ Hand aus und die knallrote pastose Plakafarbe landet auf dem hellen Papier-Untergrund des Basteltischs, anstatt auf dem Kunststoff des Modells. »Welch ein Segen!« könnte nun der sensibilisierte Betrachter innerlich jubeln und sich sogar darin bestätigt fühlen, dieser wild und scheinbar unkontrolliert schwingenden Hand womöglich spontane und gelungene Kunst zu attestieren, anstatt nur einfache Makulatur?
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Luise fährt mit ihrem Auto auf einer einsamen Landstraße, die partiell von weitläufigen und jüngst frisch gemähten Feldern umgeben ist. Diese an ihr vorbeiziehende Landschaft wechselt mit Feldern ab, die unregelmäßig mit altem Baumbestand bewohnt, wie auch von Abschnitten großer Wiesenflächen umschlossen sind, die noch wild bewuchert brach liegen und darauf warten, ebenfalls für die Heuernte vorbereitet zu werden. Luise ist gut gelaunt und singt leise einen Song mit, der im Autoradio läuft und den Innenraum des Wagens als Geräuschkulisse dezent ausfüllt.
Das Auto biegt von der Landstraße in einen schmalen Feldweg ab, der unerwartet und im Gegensatz zu der Umgebung davor, nun von kargen und kleineren sich unnatürlich aneinanderreihenden Ackerflächen umsäumt ist. Luise ist zufrieden, dass sie in diesem schönen und komfortablen Geländewagen sitzt, denn das macht beim Anblick des holperigen Feldwegs sehr viel Spaß, denkt sie erleichtert, während sie vergnüglich und mit viel Elan die unebenen und hubbeligen Teilstücke dieser Strecke als kleine Herausforderung zu meistern versucht.
Am Ende des Weges entschwindet der Wagen in einen angrenzenden Wald, der sich beinah wie ein Tor zu einer anderen Welt geheimnisvoll und dunkelgrün öffnet.
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Auf dem großen Basteltisch herrscht ein heilloses Durcheinander, sodass man ad hoc der Idee verfallen könnte, dass es sich bei dieser Unordnung um einen Abenteuerspielplatz für Augen handelt, die sich nicht genug an dieser zufälligen ‚Komposition‘ sattsehen können, und als wollte man ebenso beherzt ausrufen wollen:
»Das ist aber wirklich sehr schön so.« oder »Hier sind ganz schön viele GedankenLos.«
Diverse Bastelmaterialien zum Beispiel in Form von gutriechender – wenn man es denn mag – und echter Plakafarbe guter Qualität, hauptsächlich grelles Rot und Signalgrün, irgendwo ein Rest von erschreckend ungewöhnlichem Hellblau, allesamt und definitiv das Gegenteil von Le Corbusiers Farbsystem ‘Polychromie Architecturale’. Weiterhin kann man auf diesem Tisch kleine und größere bunte Aufkleber für die Flugzeugdekoration finden, feine Drahtkordeln, teilweise sehr zerknüllte wie auch andere wieder glatt gestrichene Kritzelzeichnungen und vieles mehr, dass man bestimmt noch entdecken kann und wollte, wenn man sehr viel Zeit und Geduld auf diesen ‚Spielplatz für erfreute Augen und fleißige Hände‘ mitbringen würde. Zu den Flugzeugen, die bereits fast fertig zwischen all diesem Tohuwabohu herumliegen und auf ihre Bestimmung warten – wie immer diese auch aussehen mag – gesellen sich auch ein paar teils unfertige flugzeugähnliche Flugobjekte und sogar zwei kleine Kriegsschiffe hinzu, die ebenfalls dilettantisch — »Verzeihung, ich meine natürlich beinahe virtuos — mit greller Farbe ‚bemalt‘ sind.
Wenn man diesen überdimensionalen Basteltisch zu seinen Rändern hin durchsucht, entdeckt man unerwartet die Lunten von zwei sehr großen Böllern, deren wuchtige Körper unter farbverschmierten Zeitungsfetzen verräterisch hervorscheinen, aber gerade nur so viel, dass sie noch unentdeckt bleiben wollen, damit man sich um sie keine Sorgen machen muss. Es sind solche Knallkörper, die mit Bestimmtheit nicht in kindliche oder jugendliche Hände gehören. Auch Hände von Erwachsenen müssten mit ihnen vorsichtig und sehr sorgsam umgehen.
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Luise manövriert ihr Fahrzeug gekonnt über eine enge und kurvenreiche Waldstraße hinweg, auf der außer ihrem Wagen kein anderes Auto weit und breit zu sehen ist. Luise hat bis zu diesem Zeitpunkt kein Gegenverkehr bemerkt, der ihr ein vertrautes Gefühl von »Gott sei Dank, ich bin hier nicht allein unterwegs« vermitteln könnte. Die Umgebung – der angrenzende dunkelgrüne Wald entlang der beengten zweispurigen Straße – erscheint ihr in der Tat seltsam verlassen und unbewohnt. Würde zu aller Ungewissheit noch ein umgefallener schwerer Baum diese schmale Straße versperren, wäre das sicherlich wie in einer unheimlichen Szene aus einem Film, den jeder sicherlich schon irgendwann einmal gesehen hat, schaudert Luise innerlich. Und sie fragt sich, ob dieser Wald tatsächlich Tiere beherbergt, denn diese merkwürdige Atmosphäre, die über dieser Baumlandschaft fast wie eine Bürde aus längst vergangenen Tagen liegt, empfindet sie nicht als sonderlich einladend. Vielmehr ist es für sie ein bedrückendes Gefühl, das sie nicht ohne jedwede Skepsis für sich rational einordnen kann. Wäre dieser Tag nicht von Anbeginn so erfreulich warm und sonnenstrahlend erheiternd gewesen, und hätte sie die Fahrt bis jetzt nicht als so leicht und angenehm empfunden – trotz ihrer teilweise unterschwelligen Aufgeregtheit und Nervosität – würde Luise beim Anblick dieser Umgebung, und dass erst recht bei Nacht, Nebel oder schlechtem Wetter, mehr Angst und Unsicherheit überkommen, als sie in diesem Moment bereit war, sich selbst einzugestehen.
Mit einem sanften Kopfschütteln lässt Luise von weiteren unguten und möglicherweise aufkommenden Gefühlsschwankungen ab, wischt ihr Bedenkenpaket gedanklich beiseite und setzt ihre Fahrt fort. Begleitet von Licht und Schatten, die große und dicht beieinanderstehende Bäume erzeugen, während der Wagen an ihnen vorbeizieht.
Luise fühlt, dass sich ihre sorgenvolle Stimmung allmählich auflöst, und sie konzentriert sich auf das natürliche Licht- und Schattenspiel der hochgewachsenen Nadelbäume, die der Wald beinah stolz anzubieten hat. Und Luises Stimmung erhellt sich noch weiter, weil sie diese Hell- und Dunkel-Lichtreflektionen auf ihrem Gesicht als ‚beweglich streichelnd‘ und angenehm lebendig empfindet, während sie weiterfährt. Einige Zeit später bremst Luise den Wagen langsam ab und biegt in einen schmalen und einfachen Waldweg ein, an dessen Anfang ein gut gestaltetes Schild mit der Aufschrift ‚Privatweg‘ den Besucher möglicherweise auf ein baldiges und freudiges Ziel hinweist oder vorbereitet, je nachdem, was er sich sehnlicher wünscht.
Nach einer Weile der Autofahrt, vorbei an saftigen und grünen Wiesen, auf denen friedlich grasende Neuseeland-Schafe ein herrlich idyllisches Naturbild abgeben würden, endet der Waldweg ohne Vorwarnung abrupt. Eine mit feinem grauen Basaltsplitt ausgelegte Hofeinfahrt zu einem großen und eleganten und in hellen Farben gehaltenen Landhaus, das in gewissen Teilen der Außenfassade wie beabsichtigt in Kontrast zu einem klassischem Bauhausstil der 20er Jahre in friedlicher Koexistenz jedoch zu konkurrieren scheint, öffnet sich vor Luises Augen. Sie fährt auf den großzügig angelegten Innenhof auf und hält den Wagen an, ohne viel Lärm zu machen.
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Die massive und glatte Haustür des Landhauses wird von innen leicht und ruckartig in der Mitte in zwei gleiche Teile aufgeschoben. Tim Marquardt, ein schlanker und sehr hochgewachsener junger Mann androgyner Gestalt, mit seltsam blasser Haut und dunklen Haaren, die wild nach hinten gekämmt sind und dort mit aller Hartnäckigkeit nicht verbleiben wollen, stürmt mit Freudengebrüll auf Luises Wagen zu. So, als hätte er dieser Ankunft derart sehnsüchtig entgegengefiebert, dass nichts anderes in diesem Augenblick zählt wie das Wiedersehen mit Luise.
Luise steigt entspannt und lächelnd aus ihrem Wagen aus, und bevor sie noch irgendetwas sagen oder gestikulieren kann, schleudert sich Tim ihr fest und unkontrolliert entgegen – wie Körper an Körper prallt Fleisch auf Fleisch –, dass er die überraschte Frau beinah umschmeißt. Er umarmt Luise kräftig und unbeholfen mit seinen beiden langen Armen eng, schmiegt sich innig an sie an und lehnt seinen Kopf sanft herunter an ihre Stirn, als wollte er ein geheimes Ritual zwischen ihm und Luise wiederholen und festigen, so wie es vielleicht Menschen tun, die einander sehr vertraut sind.
»Luise, endlich bist du da«, flüstert Tim, während er nach seiner Aufgeregtheit endlich wieder Luft holen kann.
Überwältigt von Tims überschwänglicher Begrüßung erwidert Luise die Umarmung des jungen Mannes liebevoll und streichelt sanft seinen Kopf.
»Tim, mein Großer ... ich hab’ dich so vermisst.«
Luise schaut in die strahlend blauen und klaren Augen von Tim hoch, der daraufhin erwidert:
»Ich auch.«
Spontan löst sich Tim von seiner eigenen Umklammerung und präsentiert Luise mit großen und leuchtenden
Augen sein neues und ‚unschön‘ — »Verzeihung, ich meine natürlich beinahe virtuos — bemaltes Kriegsflugzeug oder Flugobjekt, je nachdem, als was man es lieber erkennen möchte.
»Guck mal, Luise ... das kann fliegen … und schau mal wie!« ruft Tim und beginnt anschließend begeistert mit seiner ‚Parade‘, als hätte er das eigens für Luise einstudiert.
Luise verfolgt belustigt und wohlwollend das Schauspiel von Tim, der sich von jetzt auf gleich in sein eigenes Spiel verliert: Er schleudert seine beiden Arme unkoordiniert in die Luft, um das Flugzeug in den Himmel aufsteigen zu lassen. Dann läuft er slalomartig in Richtung Haus und wieder zurück, während er mit abwechselnd nach links und rechts kreisenden Bewegungen seines gestreckten Führungsarms den dramatischen Flug des Fliegers nachahmt, wie es emporsteigt – höher und höher – um sich dann im Sturzflug erneut dem Boden so gefährlich und riskant zu nähern, als wollte es im nächsten Moment gewaltig auf den grauen feinen Basaltsplitt krachen, um dort in tausend einzelne kleine Teile zu zerschmettern. Er jubelt und jauchzt vor Freude. Tim ist so sehr in seine eigene ‚Ich-fliege-Flugzeug-Welt‘ eingetaucht, dass er alles um sich vergisst.
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Weder Luise, und erst recht nicht Tim, bemerken, dass auf der Schwelle der aufgeschobenen Haustür Helga Marquardt schon eine ganze Weile steht und das vergnügliche Treiben beobachtet:
Eine perfekt gestylte Endfünfzigerin, deren dunkelbraun geglätteter Pagenschnitt und ihr vornehm in dunkelblau und beige gehaltener Kleidungsstil mit leichter lässiger Bluse, feiner Stoffhose und kostspieligen und bequemen Loafers ohne Zweifel die Frau des Hauses zu einer ungewöhnlich attraktiven Erscheinung machen. Sie lächelt zufrieden in Luises Richtung und winkt ihr dezent zu.
»Luise, pünktlich wie immer«, ruft sie.
Ihre distinguiert leise Stimme kann kaum bis zu Luise durchdringen, aber sie wird dennoch wahrgenommen; Luise winkt ihr zurück.
»Jetzt kommt doch endlich rein … ihr beiden. Tim, du auch bitte! Es gibt bald Essen!«
Luise geht mit ruhigen Schritten auf die anmutige Frau zu und begrüßt sie mit einem Kuss auf die Wange.
»Hallo Mama, schön dich zu sehen.«
»Freut mich, dass du da bist, Luise. Hattest du eine gute Fahrt?«
»Ja, es war ganz angenehm. Es ist immer wieder schön, durch diesen Wald zu fahren.«
»Dieser Wald ist in der Tat etwas Besonderes«, sagt die Mutter.
Die beiden Frauen schauen sich liebevoll an und die Mutter macht eine einladende Bewegung mit ihrer Hand.
»Komm, lasst uns reingehen«, sagt sie.
Luise ruft Tim mit einer vertraulichen Geste herbei – ähnlich dem Vulkanischen Gruß, jedoch etwas abgewandelt: Drei zu einem anstatt zwei zu zwei Finger, Daumen nicht mitgezählt! –, und dann gehen die drei gemeinsam ins Haus, allen voran Tim, der den beiden Frauen förmlich davonläuft, während er sein Flugzeug nach wie vor vergnügt in der turbulenten Flugbahn hält und quietschvergnügte Laute von sich gibt, die in den weiten Räumen des Landhauses allmählich verhallen.
II. Erinnern
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Luise hält im elegant schlichten und großzügig geschnittenen Entrée des Hauses kurz inne, als wollte sie sich an irgendetwas bestimmtes erinnern, das ihr aber partout nicht einfällt, während die Mutter zügig weitergeht, weil sie scheinbar sehr beschäftigt ist.
»Luise, ich muss mich um das Essen kümmern, du kannst ja gleich auch Paul begrüßen!«
»Ist gut Mama«, erwidert Luise, »ich gehe schnell zu Tim runter und bringe ihn zum Essen mit hoch.«
»Mach das!« sagt die Mutter, bevor sie in einen anderen Raum entschwindet.
Das Entrée des Hauses ist relativ dunkel gehalten – ohne nennenswerten Lichteinfall von außen –, was auf dem ersten Blick zur hellen und freundlich Außenfassade nicht zu passen scheint. Luise verweilt einige Augenblicke dort und sie spürt, dass sich ihre Augen sehr schnell an diese dunkle Umgebung gewöhnen. Einige Zeit später bemerkt sie, dass allmählich sehr ansprechende und scheinbar sorgfältig ausgewählte Kunstwerke an den Wänden sich unaufdringlich aber deutlich zu erkennen geben, ohne dass diese Arbeiten unnötig mit künstlichen Lichtquellen oder Spots aufgehellt werden mussten. So wie Luise das schon des Öfteren an anderer Stelle oder in anderen Raumsituationen gesehen hat beziehungsweise selbst schon konzipieren musste: Wo das Lichtkonzept klassisch nützlich und eher pragmatisch ausgelegt war oder eben so gewünscht wurde. Aber hier im Hause Marquardt scheint nichts dem Zufall überlassen und der ‚Empfang‘ ist unauffällig in seiner Wirkung und wurde dennoch fein und genau für diese ‚subtile‘ und ungewöhnliche Eingangssituation komponiert. Das muss man den Eltern schon lassen, sie sind wirklich sehr geschmackssicher, denkt Luise.
Im Weiteren empfindet sie ebenfalls als sehr angenehm, dass von dem langen und helleren Korridor, der den Besucher geradewegs im Eingangsbereich abholt, einige mehr oder weniger lichtdurchflutete Räume ohne ersichtliche Türen abgehen, die ähnlich wie bei ihrer Fahrt durch den Wald, ein Hell- und Dunkel-Spiel im inneren des Hauses andeuten, was die durchdachte Einbindung dieser Architektur in seine natürliche Umgebung als sehr schlüssig und überzeugend erscheinen lässt.
Luise geht den hellen Flur entlang und biegt in ein kurzes Seitenstück des Flurs ein, dass in diesem Fall tatsächlich mit indirektem und unsichtbar ‚versenktem‘ Konturlicht ringsum zur Decke hin dezent ausgeleuchtet ist. Am Ende des Flurs befindet sich die einzige geschlossene Tür im Haus, deren ursprünglich makellose glatte und weiße Farboberfläche scheinbar schon mehrmals mit ebenso weißer Farbe sichtbar übertüncht wurde, weil der farbig bekleckerte Untergrund immer wieder durchzudringen versucht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Tür wieder mit greller Farbe ‚verziert‘ wird, denkt Luise. Sie grinst in sich hinein, öffnet die Tür und steigt langsam eine Treppe hinunter.
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Luise betritt einen großen Raum, der nicht hell ist, weil außer einem kleinen sehr schmalen Fenster kaum Tageslicht den Weg von außen nach innen findet. Das Zimmer wird an verschiedenen Stellen mit künstlichen Lichtquellen ausgeleuchtet, die eine unnatürliche Wohnatmosphäre entstehen lassen. Der Raum erinnert mehr an einen Hobbyraum, der zu einem Jugendzimmer umgestaltet wurde – oder vielleicht ist es sogar umgekehrt. Es lässt sich jedenfalls nicht eindeutig belegen, was dieser Raum einmal war oder wer ihn zuletzt bewohnt oder benutzt haben könnte.
Luise sieht zu Tim hinüber, der mit dem Rücken zu ihr an einem großen Basteltisch sitzt. Tim ist so mit sich selbst beschäftigt, dass er Luise nicht bemerkt. Neugierig schaut sich Luise in diesem Zimmer um, so, als würde sie an einen Ort zurückkehren, der ihr vertraut erscheint. Die Art und Weise wie ihre Augen den Raum abtasten, lassen erahnen, dass sie wahrscheinlich ganz bestimmte Erinnerungen an diese Räumlichkeit hat. Ihr Blick bleibt an einer mittelgroßen und geschmackvoll in Nussbaumholz eingerahmten Fotoarbeit an der Wand hängen, das in Schwarz-Weiß eine Waldlandschaft darstellt, welches einerseits durch einen natürlichen Sonnenlichteinfall seltsam schön erscheint, das aber bei längerer Betrachtung auf Luise sehr unheimlich und verunsichernd wirkt. Ähnlich wie es dem Protagonisten im Film „Blow Up“ ergeht, der mehr durch die Neugier als Fotograf angespornt, einen ganz bestimmten Ausschnitt eines Fotos so lange im Detail immer wieder vergrößert, bis er etwas ‚Verdächtiges‘ oder Unheimliches darauf zu erkennen glaubt. Luise wendet sich augenblicklich von diesem Bild ab, tritt von hinten an Tim heran und schaut über seine Schulter:
Tim befestigt grob einen gewaltigen Böller an sein unschön — »Verzeihung, ich meine natürlich beinahe virtuos — bemaltes Flugzeug, indem er diesen Böller mit feinem Draht intuitiv am Rumpf des Flugzeugs zügig und fest umwickelt. Der imposante Knallkörper hat eine mittellange Lunte und wirkt am Rücken des Flugzeugs wie ein Raketenantrieb, der sicherlich dem Fluggerät massiven Auftrieb verschaffen könnte, damit dieser sich in die Lüfte erhebt, um fortzufliegen. Oder auch nicht! Tim ist mit seiner Arbeit zufrieden und legt das große Flugzeug hastig zur Seite weg, während der sanfte Luftzug seiner Bewegung einen anderen Böller, der noch unter einer alten farbverschmierten Zeitungsseite halb im Verborgenen liegt, plötzlich zum Vorschein bringt. Dann wendet er sich einem Kriegsschiff zu, das er ebenfalls mit Farbe ‚bemalt‘. Der junge Mann summt irgendetwas leise und vergnügt vor sich hin.
Luise betrachtet diese beiden Böller sehr genau – und sie lächelt still in sich hinein. Sie ist beim Anblick dieser wuchtigen Knallkörper überhaupt nicht beunruhigt, denn sie weiß genau, dass sie Attrappen von einer Filmrequisite sind. Sie hatte diese von einem Freund, der bei einer Filmproduktion gearbeitet hat, einst geschenkt bekommen, weil sie unbenutzt übriggeblieben waren. Und dass Tim diese Art von ‚Raketenantriebe‘ sehr liebte, wusste sie nur allzu gut, und deshalb hatte sie ihm diese Böller vor langer Zeit mitgebracht. Tim musste ihr dennoch hochheilig versprechen, dass er die Lunten nicht anzünden würde. Abgesehen davon hätte Tim dies unter keinen Umständen anstellen können, weil im Hause Marquardt nirgendwo Streichhölzer oder ein Feuerzeug zu finden gewesen wären. Und Luise war sich ebenfalls sehr sicher, dass sowieso nichts Schlimmes hätte passieren können, weil unter der Ummantelung – also im Körper der Stangen – definitiv kein Sprengstoff oder Ähnliches vorhanden war; trotzdem wollte sie auf Nummer sicher gehen. Denn erstens sehen verbrannte Lunten nicht sehr schön aus und zweitens ging Sicherheit – so oder so – immer vor. Und genau das musste sie auch ihren Eltern lange und breit erklären, dass von diesen großen Böllern definitiv keine Gefahr ausgehen würde, bis die beiden sich damit einverstanden erklärten, dass Tim diese Stagen für sein Spiel haben konnte.
Luise legt ihre Hand sanft auf Tims Schulter, um ihn nicht zu erschrecken und ihn vorsichtig daran zu erinnern, dass sie nun anwesend ist. Dennoch schreckt Tim kurz auf und lächelt Luise gutgelaunt an, als hätte er sie bereits erwartet. Er ist überglücklich und steigert sich körperlich in seine eigene Freude hinein, als würde er beinahe ‚Schokln‘, so wie es bei religiösen Juden beim Beten der Brauch ist.
»Habe dir was Schönes mitgebracht«, sagt Luise, »aber es ist noch im Auto. Ich gebe dir das nach dem Essen, okay?«
Tim stoppt augenblicklich seine stereotype Bewegungsfreude und schaut Luise mit neugierigen und leuchtenden Augen an.
»Wo hast du das denn? … Ich will das aber jetzt!«
Der junge Mann blickt Luise ungeduldig an und sucht mit nervös hastigen Blicken – links und rechts an Luise vorbeischauend – vergeblich und dringlich nach der Überraschung, als hatte sie das Geschenk absichtlich hinter ihrem Rücken oder irgendwo anders gut versteckt. Luise hebt ihre beiden leeren Hände in die Luft und erwidert Tims unruhige und erfolglose Suche mit einem ermahnenden aber liebevollen Blick.
»Nach dem Essen habe ich doch gesagt!«
Tim spürt, dass Luise es wirklich ernst meint. Seine anfänglich vergnügliche Stimmung kippt und seine Mundwinkel verziehen sich nach unten. Er senkt den Kopf und sein Gesichtsausdruck wirkt traurig, vielleicht sogar enttäuscht. Luise mag Tim nicht so bekümmert sehen und versucht ihn behutsam aufzumuntern.
»Versprochen! Du musst nicht traurig sein … du wirst sehn mein Großer, es ist was ganz Tolles. Gleich nach dem Essen bekommst du das … und ich zeige dir dann, wie es funktioniert, okay? Komm jetzt!«
Luise streckt Tim ihren Arm auffordernd entgegen und Tim wiederum schaut Luise so an, als hätte er ihr eine schwierige und knifflige Quizfrage gestellt, die sie sogleich beantworten muss. Luise kennt Tim gut genug, und noch bevor sie reagieren kann, weicht Tim dieser Situation unweigerlich aus, schnappt sich ein ‚Fertig bemaltes Flugzeug‘ und läuft vergnügt in Richtung Tür.
»Ich bin schneller!« ruft er, als wäre sein Sportsgeist nun endgültig entfesselt.
Luise bleibt noch eine Weile vor dem Basteltisch stehen und mustert intensiv den großen ‚Flieger mit Raketenantrieb‘, neben dem in unmittelbarer Nähe ein weiterer mächtiger Knallkörper liegt.
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Luise schließt die weiß übertünchte Tür hinter sich leise zu und geht den Flur wieder zurück. Sie schlendert einmal rechts um eine Ecke des langen Flurs und biegt sogleich links wieder ein. Sieben Schritte später steht sie vor der seitlich aufgeschoben Abtrennung einer Räumlichkeit, in dem Paul Marquardt hochkonzentriert über ein Architekturmodell leicht gebeugt ist, um diesen Bau von allen Seiten sehr genau zu inspizieren. Luise bleibt an der Türschwelle ohne Türrahmen stehen und mustert den Mann:
Paul Marquardt ist eine mittelgroße und stattliche Erscheinung in seinen Mittsechzigern mit angegrauten Haaren. Stillvoll gekleidet mit einem schwarzen Smedley Polo-Shirt, einer feinen dunkelgrauen Stoffhose und handgemachten englischen Schuhen in schwarz. Seine seriöse Ausstrahlung erfüllt den Raum ganz und gar, beinahe so, als läge etwas sehr strenges und Autoritäres in seiner Haltung, dass er nicht verheimlichen kann. Der Mann ist derart in seine Arbeit vertieft, dass er Luise nicht bemerkt. Sie beobachtet ihn interessiert bei seiner Tätigkeit.
Luise schaut auf seine Hände, die sehr präzise kleine bewegliche Teile des Modells abnehmen und wieder zusammensetzen, und sie beobachtet weiterhin, wie diese Hände pedantisch kleine hellgraue fast weiße Menschenfiguren ganz bewusst und millimetergenau hin und her rücken, bis diese vorgeblich an der richtigen Stelle stehen, damit das Modell so überzeugend wie möglich erscheinen kann. Anschließend wandern Luises Augen das Arbeitszimmer interessiert ab.
Dieser große Raum ist so ‚erwachsen‘ und stilsicher eingerichtet, dass man sich sehr anstrengen müsste, um ihn eventuell hier und da einen Hauch noch geschmackvoller zu gestalten. Was kaum möglich ist, da unter anderem zwei sich gegenseitig anlächelnde Steh- und Schreibtischleuchten EB 27 von Édouard-Wilfred Buquet die wahre Vollendung dieser Einrichtung als Lichtgestalten markieren. Luise schaut sich weiter um und sie betrachtet fasziniert ein wandfüllendes Bücherregal in formvollendeter und massiver Eiche mit sehr akkurat angeordneten Bücherreihen, teilweise sogar penibel nach Farben sortiert. Und sie erkennt im Weiteren auf einem sehr großen Arbeitstisch, das fast zu schweben scheint, weil die Füße als tragende Elemente unsichtbar und statisch perfekt ausgelotet nach innen versetzt sind, einige typisch kleine und mittelgroße Architekturmodelle, die mehr oder weniger ausgearbeitet sind. Nun wird es aber Zeit, denkt Luise und räuspert sich dezent.
»Ach Luise, du bist schon da?«
Der Mann schreckt kurz, aber nicht sonderlich überrascht auf, mit einem nur flüchtigen Blick zu Luise.
»Ich muss hier noch schnell etwas nachschauen«, sagt er, … »geh doch schon mal vor, ich komme gleich.«
Luise merkt, dass Paul in Ruhe gelassen will, damit er weiterarbeiten kann. Das kennt sie schon.
»Mach nicht zu lang. Du weißt ja, dass Mama es nicht mag, wenn sie mit dem Essen warten muss.«
»Ja, ich weiß, ich bin gleich da«, antwortet Paul. Er blickt kurz auf und lächelt Luise etwas aufgesetzt an.
Luise lächelt kurz zurück, dreht sich ernüchtert auf dem Absatz um und entfernt sich wieder von der
Türschwelle. Ohne das Arbeitszimmer betreten und ohne Paul in üblicher Form begrüßt zu haben, so wie es Familienmitglieder manchmal tun – sich zum Beispiel herzlich umarmen –, wenn sie sich länger nicht gesehen haben.
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Luise geht den Flur wieder zurück und biegt diesmal rechts ab. Sieben Schritte später betritt sie einen sehr großen Raum, der Ess- und Wohnzimmer als untrennbare Räume fließend ineinander übergehen lässt. Sie geht einfach weiter, lässt den Essbereich hinter sich und betritt das größere der beiden Räume: ein sehr angenehmes und helles Wohnzimmer – vielmehr ist es ein ‚Lebensbereich‘ –, das von einer überdimensionalen Glasfensterfront mit Panoramablick nach Draußen als markantes Element der Architektur präzise aber unaufdringlich dominiert wird. Luise bleibt kurz stehen und schaut sich um.
Wenn man das Arbeitszimmer von Paul schon als sehr stilsicher in seiner Einrichtung empfinden kann, so muss man doch bei dem Anblick dieser zusammenhängenden Räume ohne Zweifel anerkennen, dass sich die Eltern in Bezug auf die Gestaltung dieser Innenräume hier selbst übertroffen haben, denkt Luise und lässt ihre Blicke und Gedanken weiter schweifen.
Dieser ‚Lebensbereich‘ zeugt von konsequenter Vorliebe für das Bauhaus wie auch von der Notwendigkeit unübertroffener und kostspieliger Schlichtheit und Zweckmäßigkeit der schönen wie durchdachten Möblierung dieser Räume, die auch vereinzelt andere Stilrichtungen und besondere Einzelstücke als Gestaltungselemente vorzuweisen haben, dass man nicht umhinkommt anzunehmen, dass die Eltern hier unter anderem nach ‚Le Corbusiers fünf Elemente der Architektur‘ vorgegangen sein müssen. Natürlich auch allgemein gesprochen, bezogen auf die gesamte Architektur. Und das ist natürlich das Hauptanliegen von Paul, der nicht umsonst mit seinen ungewöhnlichen und teilweise mondänen Entwürfen als hochdotierter Architekt zu Ruhm und Ehre gelangt ist … aber das ist sicher nur ein Teilaspekt dieser hervorragenden Gestaltung, denkt Luise. Und sie merkt plötzlich, dass sie wieder angefangen hat, über Räume und diese Dinge zu referieren – zumindest gedanklich –, als wäre es eine ganz natürliche Anforderung an ihre Arbeit als Architektin.
Sie schaut weiter auf die Wände, die sehr reizvolle wie ungewöhnliche Kunst exponiert aber unaufgeregt darbieten. Es sind nicht viele Arbeiten, die an den Wänden hängen, aber solche, die man ebenfalls bekannteren Künstlern zuordnen kann. Und die zudem die Gemeinsamkeit aufweisen, dass sie als Hauptthema reine Natur abbilden, wie zum Beispiel eine Waldlandschaft, die sich in ihrer rätselhaften Darstellung jeglicher Interpretation bewusst und sehr meisterlich zu entziehen vermag. Flankiert wird dieses sehr stimmige Design der Inneneinrichtung durch ein paar kleine wie mittelgroße Objekte bzw. Skulpturen, die teilweise auf Sockeln ruhen, und ebenfalls in gewisser Form Ideen der Natur als Dialog anbieten.
Aus der Ferne der Küche irgendwo im Haus ertönt schlagartig eine Stimme:
»Essen ist gleich fertig … Luise, deck doch bitte schon mal den Tisch, ja?«
»Ich mach das gleich Mama … Moment noch … ich muss noch etwas …«, ruft Luise und geht, wie magisch angezogen, zum großen Panoramafenster.
Luise schaut fast verträumt und sehnsüchtig auf eine schöne und dunkelgrüne Waldlandschaft, die sich hinter dem Haus in unendlicher und dennoch undurchdringlicher Weite – wie ganz nah und doch so fern – vor ihren Augen prächtig ausbreitet. Sie steht bloß da und betrachtet die Bäume, Blätter und Äste, die sich leicht im Wind hin und her biegen und bewegen. Und sie hört auch das leise und charmante Zwitschern der Vögel, weil das große Fenster scheinbar vorher zu einer Seite hin etwas aufgeschoben wurde.
Und plötzlich, wie von Geisterhand, bewegen sich die Blätter und Äste nicht mehr, kein bisschen, und auch das Zwitschern der Vögel verstummt, als hätte jemand diese Bewegungen wie in einem Film abrupt angehalten und somit auch den Ton ausgeblendet. Es herrscht Stille, darauf folgt Totenstille und danach wölbt sich eine große dicke Glasglocke dumpf und wabernd über Luises Haupt und ein stiller Schrei, abgeschnitten und matt, der sich aufbauscht wie tonnenschwere Watte aus elektrisierter Glasfaser, erstickt sie mit großer Wucht – in diesem Augenblick!
Nichts ist so frei wie der Wind,
auch er sucht sich sein Kind ganz genau,
mit allem, was dazu gehört,
mit Haus, Hof und Reiterpaar,
und eine Seele noch dazu.
Und so fliegt der Wind über alles hinweg,
wäre sie in ihrem Herzen nicht so leer,
sollte alles so sein, wie es einmal war,
lebendig, fröhlich und strahlend schön,
so aber, ist es nicht!
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Luise sitzt mit ihrer Familie am großen Esstisch und speist. Das trotz der späten Mittagszeit gedämpft wirkende Tageslicht ist um diese Jahreszeit besonders einladend und freundlich. Der angrenzende Wald bietet sich wie ein Vermittler in Hinblick auf Licht und Schatten zwischen Architektur und Sonnenlicht auf natürliche Weise an. Das angenehm gebrochene Tageslicht scheint in das Esszimmer gefällig hinein und schafft eine wohlig luftige Atmosphäre. Nicht nur weil das große Panoramafenster im Wohnbereich genug Helligkeit in den angrenzenden Essbereich wirft und diesen dadurch vorteilhaft ausleuchtet, sondern weil auch ein weiteres viel schmaleres Panoramafenster in die Außenwand des Essbereichs eingelassen ist, das in der diagonalen Flucht zum großen Fenster eine hervorragend formal gelungene wie auch ästhetisch schöne Anordnung bildet. Das Zusammenspiel dieser beiden Fenster mit den Bäumen des Waldes und dem Licht von Draußen entfaltet folglich seine sehr eigene und feine Wirkung in diesen Räumen.
Das schmale und kleinere Panoramafenster im Esszimmer ist ebenfalls ein Stück weit aufgeschoben und eine angenehm leichte Brise weht in den Raum hinein, als wollte sie allen Beteiligten etwas Kühlung verschaffen, die nicht nur guttut, sondern auch die Anwesenden für eine gewisse Zeit miteinander vereint.
Luises vorangegangene heimliche Panikattacke, die einige Zeit zurückliegt, und die sie nun einigermaßen überwunden hat, war scheinbar keinem der Familienmitglieder aufgefallen. Schon gar nicht Paul, der ja bis zuletzt nicht anwesend war und erst an den Tisch kam, als seine Frau mit Tims mehr oder weniger stoischer Hilfe das Essen hereinbrachte. Die Mutter hatte Luise nicht um Hilfe gebeten, weil sie vielleicht intuitiv gemerkt hatte, dass etwas mit ihrer Tochter nicht stimmte. Luise wiederum empfand diese Geste als vertrauensvoll beruhigend und Erleichterung dazu, da ihre Mutter sie tatsächlich in Ruhe gelassen hatte. Denn sie wollte mit ihrem Verhalten weder Aufsehen erregen noch mit lästigen Fragen konfrontiert werden, auf die sie in jenem Moment selbst keine Erklärung hatte. Außer vielleicht einem seltsamen Unbehagen, das sie seit ihrer Ankunft im Hause Marquardt heimlich verfolgte.
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Luise betrachtet aus den Augenwinkeln ihre Eltern, die vornehm aber sichtlich auf das Essen konzentriert sind. Die Mutter sitzt sehr aufrecht am Tisch und genießt mit der Leichtigkeit ihrer guten Tischmanieren das eigenhändig angerichtete Essen in vollen Zügen. Sie schaut nur hin und wieder flüchtig zu Tim hinüber, als würde sie ihn mustern. Ernsthaft und leicht von oben herab, aber dennoch irgendwie liebevoll, so wie Erwachsene das manchmal mit Heranwachsenden tun. Wahrscheinlich aber auch nur, um für sich sicherstellen, dass der junge Mann sich auch anständig bei Tisch verhält – soweit man das von Tim natürlich erwarten darf. Paul sitzt am Tischende leicht gebeugt über seinem Teller und er scheint – seiner ruhigen Ausstrahlung nach zu urteilen – gänzlich mit sich selbst zufrieden in seine Mahlzeit vertieft. Luise kann ihm nicht ansehen, ob er das Essen ebenfalls genießt, denn sein Gesichtsausdruck wirkt eher neutral und sachlich. Wie das Gegenteil von lebendig, aufmerksam und nach friedlicher Familienzusammenkunft bemüht, so als würde man in einem passenden Augenblick von ihm erwarten dürfen – in diesem Fall seine Frau, die exzellente Köchin des Hauses umso mehr –, dass er vielleicht eine erfreuliche Beurteilung über das gelungene Gericht abgibt, damit alle befriedet weiteressen können. Er hat jedoch kein ermutigendes und höfliches Kompliment seiner Frau gegenüber während dieser ganzen Zeit am Tisch übrig.
Diese Atmosphäre empfindet Luise als bedrückend und als die vollkommene Abwesenheit von familiärer Beschwingtheit und liebevoller Dynamik. Stillschweigen und Essen wie eine eingefressene Gewohnheit von tradierten Verhaltensmustern bestimmen diese Momente am großen Esstisch. Als könnte es gar nicht anders sein, dass man einerseits zusammensitzt und gemeinsam das verspätete Mittagessen zu sich nimmt, aber gleichzeitig so weit voneinander entfernt ist, dass jeder durchaus auch für sich allein in einem eigenen Raum sitzen könnte. Außer vielleicht Tim, denkt Luise während sie das störende und quälende Kratzen und Schneiden des Bestecks auf dem feinen Porzellan als die einzige und sehr unangenehme Geräuschkulisse im Raum wahrnimmt.
Luise dreht sich zu Tim seitlich um, staunend, dass er an seiner Suppenvorspeise hängengeblieben ist. Oder man hat ihn einfach in Ruhe gewähren lassen, da man weiß, dass er nicht in der Geschwindigkeit mit den Erwachsenen mithalten kann und muss. Sie beobachtet ihn, wie er seinen Löffel gelangweilt in die Suppe eintaucht, den Inhalt wieder ausleert, erneut eintaucht und ausleert. Er wirkt irgendwie verloren und entrückt in seiner eigenen Bewegungsmeditation, die er sich bestimmt nicht freiwillig ausgesucht hat. Vielleicht ist er auch nur in Gedanken schon bei seinem Geschenk, welches er bestimmt sehnsüchtig und voller Neugier und mit sehr großer Freude zügig zu öffnen bestrebt wäre. Würde man ihn nur lassen, denkt Luise während sie ein weiteres sehr kleines Stück von ihrem Filetsteak behutsam abschneidet, sodass nun eine dezent kleine hellrote Blutlache auf dem Teller zurückbleibt, die sich langsam aber deutlich in ihrem Umfang ausbreitet. Luise ist wie paralysiert von dieser Wirkung: Einerseits faszinierend und wohlgeformt schön und andererseits unnatürlich und abstoßend.
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Paul lehnt sich gemächlich in seinem Stuhl zurück, nachdem er einen Bissen zu Ende kaut, räuspert sich instinktiv und etwas gestelzt, als hätte er sich fast verschluckt und setzt dann erneut an, um dieser Situation seine lakonisch eindringliche Stimme aufzuerlegen. So, als wollte der Klang seiner Stimme dieser unheimlichen Stille und dem endlosen Schweigen im Raum einen erlösenden Rest von Leben einhauchen, jedoch in eben seiner kurz gefassten und sachlich freundlichen Art, das er als Architekt meisterlich beherrscht, als wollte überzeugend präsentieren oder eben nur eine Information einholen.
»Luise, was macht das Architekturbüro, kommst du gut voran?« fragt Paul.
Luise ist für einen kurzen Moment von Pauls unerwarteter Ansprache irritiert, da sie immer noch auf ihren makellos weißen Teller starrt, der diesen natürlichen aber für sie unausstehlichen Effekt der Blutlache darbietet. Sie schaut kurz auf, ohne Paul anzusehen, und blick stattdessen auf seine großen Hände, die das Messer tief und kraftvoll in das Fleisch hineinschneiden, um dem angeregten Magen ein weiteres Stück dieses vorzüglichen Rinderfilets einzuverleiben, während er auf die Antwort von ihr wartet, indem er sie nicht einmal anschaut.
»Ja ... Ich …«, stammelt Luise.
Unsicher auf Pauls Frage zu reagieren und verloren in der Unbeweglichkeit ihrer Zunge, versperrt sich Luise gänzlich und strengt sich nicht sonderlich weiter an, weil sie sich einerseits kraftlos und müde fühlt, und weil sie andererseits auch nicht weiß, was genau sie ihm antworten soll. Denn sie findet weder einen glaubhaft triftigen Ansatz noch einen passend nachvollziehbaren Gedanken, der diesem Augenblick die nötige und freundliche Erleichterung einer Unterhaltung verschaffen könnte.
Paul ist irritiert von Luises langer Pause und setzt erneut an.
»Ist die Partnerschaft schon besiegelt?«
»Ich … habe …«, stammelt Luise weiterhin, als eine Stimme spontan interveniert:
»Tim, setz dich bitte gerade hin und iss endlich deine Suppe auf!« ermahnt die Mutter.
Helga setzt ihren strengen aber wohlgesinnten Blick auf, der auffordernd ernst genug ist, Tim klarzumachen, dass ihre unendliche aber nicht bis in alle Ewigkeit zu beanspruchender Geduld langsam aber sicher an einem kritischen Punkt angelangt ist.
Luise schaut mitleidend zu Tim, der die Aufforderung von der Mutter weder wahrnimmt, geschweige denn dieser wahrscheinlich in seiner naiven Sturheit Folge leisten würde, hätte er diese Ermahnung überhaupt als solche vernommen. Er ist nach wie vor wie geistesabwesend und in seiner eigenen Gedankenwelt verloren – und eigentlich ganz woanders, nur nicht am Esstisch.
Luise fühlt sich sehr unwohl. Sie schluckt, ihr Magen rebelliert, rumort und sie stößt mehrfach auf, als müsste sie sich gleich übergeben. Ihr Gesicht wird kreidebleich und sie zittert innerlich, sodass sie Angst, Panik, Ekel und eine falsche Scham gleichzeitig überkommen, als würde in Ohnmacht zu fallen die einzige mögliche Option in dieser Situation sein: Das Ausblenden vom Allem, damit sie endlich Ruhe hat und nichts mehr spürt. Sie hält diesen Druck nicht mehr aus, aber jetzt und in diesem Moment aufzugeben scheint ihr auch keine wirklich gute Lösung zu sein, denn dieser Schmach will sie sich und schon gar nicht den Eltern gegenüber aussetzen, rechtfertigt sie sich selbst gegenüber. Und dann:
Sie steht ruckartig auf, sodass ihr Stuhl für einen kurzen Moment ein krächzend lautes und unangenehmes Geräusch auf dem glatten Terrazzoboden in den Raum hineinschallt, sodass Paul und Helga erschreckt zusammenzucken. Nur Tim scheint davon unberührt und schaut weiterhin in seine Suppe, von der er kaum etwas gegessen hat.
»Entschuldigt, aber mir ist nicht gut, ich muss an die frische Luft!« sagt Luise und ohne ihre Eltern dabei anzusehen.
Luise wendet sich eilig ab und verlässt den Raum leise mit schnellen Schritten.
III. Erlösen
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Luise betritt einen schmalen Pfad, der sie in das angrenzende Waldgebiet hinter dem Haus hineinführt. Sie geht zielstrebig und mit ruhigen Schritten weiter und tiefer in diese Landschaft hinein. Es ist ein sehr schöner und dichter Mischwald, der mehr an einen Wilden Wald erinnert und fast wie ein ‚verwunschener‘ Wald wirkt. Vielleicht weil er so naturbelassen wurde, damit er sich ohne den Eingriff von Menschen und Förster frei und natürlich entfalten kann? denkt Luise. Gleichwohl ihr augenblicklich in den Sinn kommt, dass sicherlich Menschen diese Bäume einst gepflanzt haben müssen, und so folgert sie daraus, dass auch dieser Lebensraum sozusagen teilweise und bewusst ‚komponiert‘ wurde; also kann dieser Wald nicht wirklich wild sein, oder doch? Sie weiß diese Gedanken für sich nicht eindeutig einzuordnen.
Viele hochgewachsene alte Tannenarten, ebenso verschiedene Laubbäume, wie auch Gehölz, das echten Mammutbäumen sehr ähnlichsieht, beherbergt diese wundervolle Naturlandschaft. Und für Luises Augen ebenfalls nicht zu übersehen: Viel saftig grünes Moss, das sich wie ein flauschig weicher Teppich an vielen Stellen wundervoll sanft auslegt und unterschiedliche Arten von Farn, der in uneinheitlichen Höhen wachsend – und alles zusammengenommen –, diesen Eindruck einer märchenhaften Umgebung besonders reizvoll verstärken.
Die frühe Nachmittagssonne variiert abwechselnd in stimmungsvollen Licht- und Schattenspielen, die relativ eng zueinanderstehende Bäume Luise bei ihrem Spaziergang wohltuend begleiten – eine vertraute Erscheinung, die sie bereits von ihrer Autofahrt her kennt. Ebenso wird ihr Weg von längeren und dunkleren Teilstücken entlang des schmalen Pfads teilweise überschattet, da das Sonnenlicht nicht ganz bis zum Waldboden durchzudringen vermag.
»Wem dieser bezaubernde Wald wohl gehört?« flüstert Luise für sich.
Es könnte durchaus sein, dass er ebenfalls zum Besitz der Eltern zählt. Das aber erscheint ihr eher unwahrscheinlich, denn das ganze Gebiet erschreckt sich vermutlich über mehr als Dreihundert Hektar. Sie und ihre Eltern haben zumindest nie darüber gesprochen, fällt Luise beiläufig ein, während sie ihre Wanderung fortsetzt.
Luise fühlt sich gut und sicher auf den Füßen, während sie weitergeht. Sie ist sichtlich erleichtert, denn es geht ihr wieder viel besser und sie genießt die erfrischende und kühlende Wirkung auf ihrem Körper und besonders die Klärung für ihren Kopf. Das Gehen als Ballast abzuwerfen in dieser wunderbaren Umgebung und das Loslassen von schweren und unnötig dunklen Gedanken.
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Das verspätete Mittagessen am großen Esstisch neigt sich beinahe wie unvollendet dem Ende zu, als läge etwas sonderbar Unverrichtetes in der Luft, das diesen sonntäglichen ‚Familientag‘ bis jetzt anders geprägt hat, als von den Eltern sicherlich gewünscht war. Wobei Paul und Helga es sich nicht haben nehmen lassen, das gute Essen bis zuletzt – auch nach dem unerwarteten Abgang von Luise – weiter zu sich zu nehmen, als wäre nichts geschehen. Nur Tim ist in diesem Augenblick nach wie vor über seiner Suppe gebeugt, erneut in seine stereotype Bewegung des ‚Schokln‘ verfallen, aber dieses Mal stärker als sonst, und summt leise und etwas unverständlich Monotones in sich hinein, das nicht besonders freudig klingt.
Paul erhebt sich ganz ruhig von seinem Stuhl, legt seine Serviette genervt beiseite, und verlässt den Raum mit enttäuschter Mine, um sich womöglich in sein Arbeitszimmer zurückzuziehen. Mutter Helga steht ebenfalls auf, schaut ihm kurz nach, als wollte sie noch etwas hinterherrufen, wendet sich aber im letzten Moment wieder ab und blickt stattdessen etwas mitleidig zu Tim herunter, als wollte sie ihn von seiner eigenen Verschlossenheit ‚erlösen‘.
»Tim, kannst du mir bitte beim Abräumen helfen, das wäre sehr nett«, sagt sie.Doch Tim reagiert nicht. Helga stellt ihre Frage erneut, diesmal kürzer:
»Tim!« ruft sie und klatscht dabei laut genug in die Hände, sodass der junge Mann erschreckt ‚aufwacht‘ und Helga mit zugekniffenen und fast bedrohlichen Augen anblickt. Tim erhebt sich ruckartig von seinem Stuhl, schnappt sich das ‚Fertig bemalte Flugzeug‘, das neben ihm am Boden geduldig wartet, und läuft fluchtartig davon. Mutter Helga steht wie fassungslos am Esstisch und schüttelt den Kopf. Sie beginnt, den Tisch abzuräumen.
»Alles muss man hier selber machen!« sagt sie und stöhnt. »So hatte ich mir diesen Tag nicht vorgestellt.« Sie bringt die zusammengelegten Teller weg.
Tim ist in seinem Zimmer und steht leicht angespannt vor dem großen Basteltisch. Er mustert den einzelnen Böller, der auffällig auf der großen Bastelunterlage liegt, sehr genau. Er versinkt kurz in Gedanken, und plötzlich, wie aus heiterem Himmel, als hätte er ein Geräusch gehört, zuckt er zusammen und schaut mit großen Augen auf das Waldbild an der Wand.
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Luise befindet sich weiterhin auf dem schmalen Pfad, der sie ‚kurvenreich‘ durch den hinreißenden Wald führt. Je länger sie diesen sehr engen Weg verfolgt, desto mehr legt sich die Landschaft um sie herum in Schatten, denn das Sonnenlicht zieht sich merklich und weitgehend zurück. Leichte hellgraue Wolken ziehen sich stattdessen am Himmel immer mehr zusammen. Viele Schritte später verlangsamt sie ihren Gang, als hätte ihr eine innere Stimme befohlen, dass sie eine Entdeckung zu machen hätte. Sie bleibt kurz stehen und schaut sie suchend um – kann aber nichts entdecken. Sie sieht nur die vielen Bäume, Sträucher, das Moss, den hohen Farn und den Waldboden, der teilweise und an manchen Stellen mit alten Blättern der Laubbäume bedeckt ist, sonst nichts! Luise ist verunsichert und geht mit leicht angespannter Körperhaltung weiter und ihr Atmen wirkt nun angestrengt, deutlich belasteter als die Augenblicke davor.
Je weiter Luise in diese ‚fantastische‘ Baumlandschaft hineingeht, desto mehr überkommt sie das eigenartige Gefühl, dass sich der Wald unnatürlich verdichtet, als würde sich die Umgebung stetig verändern. So hatte sie das vorher nicht wahrgenommen. Sie hält inne, schaut zu den Baumwipfeln hoch, und soweit sie erkennen kann, werden die Wolken am Himmel deutlich grauer und der Himmel verdunkelt sich merklich. Dann hört Luise aus der Ferne ein leises Donnern – der Hinweis eines nahenden Gewitters. Sie weiß, dass sie schon zu weit vom Haus der Eltern weg ist, um schnell zurückzukehren. Und so schlägt sie einen anderen Pfad ein, in der Hoffnung, vielleicht irgendwo Schutz zu finden, bevor ein schlimmes Gewitter über sie hereinbricht.
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Luise erreicht eine große, tiefe und lang gestreckte Mulde und bleibt augenblicklich stehen. Sie blickt in das Innere der Mulde, die sehr tief erscheint, und die an einem Hang mit saftigem Moos, auf der gegenüberliegenden Seite mit Gestrüpp und auf ihrem Grund mit Blättern und teilweise getrocknetem Schlamm bedeckt ist. Eine große und schwere Eiche liegt umgekippt wie eine Art Brücke über der Mulde. Wahrscheinlich ist der arme Baum bei einem sehr heftigen Sturm umgefallen, denkt Luise und sie überlegt, ob sie sich vielleicht darunter verkriechen könnte, um sich vor dem aufkommenden Unwetter in Sicherheit zu bringen.
Plötzlich hört Luise ein leises und verdächtiges Geräusch, das sie weder identifizieren noch lokalisieren kann. Sie horcht kurz auf und späht hektisch die Umgebung aus, indem sie sich mehrmals hin- und herdreht, um zu sehen, woher diese Laute kommen – kann aber nichts erkennen. Sie hört aus der Ferne das Rascheln von Schritten, die bedrohlich näherkommen. Die Schritte werden immer schneller und lauter. Luise steht wie angewurzelt im Wald und ihre ängstlichen Augen verraten nichts Gutes. Sie schaut sich immer wieder hastig um, als suchte sie nach etwas, das sie wahrschinlich nicht kennt. Plötzlich kracht ein Geäst und Luise dreht sich erschrocken um. Paul steht unvermittelt vor ihr, schwer atmend, aber mit freundlicher Miene.
»Was machst du hier?« fragt Luise.
»Ich bin dir nachgegangen … habe mir Sorgen gemacht«, antwortet Paul, etwas außer Puste. »Aber wie ich sehe, hast du unseren gemeinsamen Spaziergang allein vorgezogen.«
»Wollten wir denn gemeinsam spazieren gehen?« fragt Luise.
»Warum denn nicht?« antwortet Paul. Sei Gesicht verzieht sich, als sei er etwas gekränkt.
»Ich weiß nicht!« entgegnet Luise.
»Was spricht denn dagegen? Wir haben das früher schon öfters gemacht, oder nicht?« sagt Paul.
»Kann sein, ich kann mich nicht mehr so gut daran erinnern.«
»Das ist aber schade.«
»Warum?« fragt Luise.
»Naja, wir hatten doch immer viel Spaß miteinander, wenn wir zusammen gewandert sind, nicht wahr?
Paul hält kurz inne, als würde er bestimmte Erinnerungen hervorholen wollen, aber dann:
»Nun gut, die Zeiten ändern sich eben. Wie dem auch sei … jetzt bin ich jedenfalls hier und es wäre eine gute Gelegenheit –«
»Aber wie hast du mich so schnell gefunden?« fragt Luise, Paul ins Wort fallend.
»Es gibt eine Abkürzung, die man kennen muss. Ich hatte sie vor langer Zeit zufällig entdeckt«, antwortet Paul.
»Ich kenne diese Abkürzung auch, aber das erklärt trotzdem nicht, warum du so schnell hier bist.«
»Nein, diesen Weg meine ich nicht«, erklärt der Mann. »Ich kann mir schon denken, dass du den auch kennst.
Es gibt tatsächlich noch einen anderen Pfad, der … ach, was soll’s –«, unterbricht sich Paul, mit der rechten Hand abwinkend:
»Ich frage mich ernsthaft, ob es eine gute Idee war, dir nachzugehen! Ich hatte es wirklich gut gemeint.«
Der Mann wirkt enttäuscht und dreht sich für einen Moment zur Seite weg.
Luise ist in der Tat mehr irritiert als erfreut, Paul in diesem Augenblick an genau dieser Stelle anzutreffen. Dabei wollte sie doch nichts anderes als unbedingt allein sein, Ruhe finden, und schon gar nicht wollte sie mit ihm Spazieren gehen. Wieso auch? Hat man denn in dieser Familie gar keine Ruhe, wenn man das wirklich braucht, denkt Luise genervt, während sie sich ebenfalls etwas aus Verlegenheit wegdreht, um Paul nicht in die Augen schauen zu müssen. Der Mann kommt Luise einen Schritt näher und streckt ihr seine linke Hand mit dem gesamten Arm entgegen, als wollte er ihr irgendwie behilflich sein, obwohl Luise sichtlich mehr verwirrt erscheint und ihren Gedanken nachhängt, als dass sie körperliche Stütze oder Hilfe benötigte.
»Ist alles in Ordnung mit dir?« fragt Paul.
Luise weicht dieser anbiedernden Geste instinktiv aus, geht einen Schritt zurück und starrt wie gelähmt auf die große Hand des Mannes, mit seinen wulstigen Fingern und dieser sehr blassen und unregelmäßigen Haut auf der Handinnenfläche, die sie in diesem Augenblick nicht als schön und schon gar nicht als angenehm empfindet, mehr noch:
Ein heftiger Schlag mit der großen flachen Hand trifft Luise ins Gesicht – Patsch! –, auf ihre Wange mit einem lauten Knall, dass es nur so klatscht, als könnte man das von sehr weit weg sogar hören. Ihre Wange brennt, ihr ganzer Kopf glüht wie heißes Fieber mit Schüttelfrost, gemischt mit Schweiß, der ebenfalls brennt, wie in der heißesten Sonne, die man sich nur vorstellen kann.
Wie aus dem Nichts fängt Luise an zu weinen, erst laut und krampfhaft wie ein Initialschrei, danach leise und klagend, wie eine Mutter, die ihr geliebtes Kind vor nicht allzu langer Zeit verloren hat. Sie bedeckt mit beiden Händen ihr Gesicht, als wollte sie sich nicht offenbaren und sackt innerlich mehr und mehr zusammen. Ihre Beine fangen an zu zittern, und sie weiß nicht, ob sie sich hinsetzen muss oder soll und überhaupt noch kann, oder einfach nur hilflos ist, was immer sie auch zu tun bereit sein könnte. Aber sie spürt nur Leere, die sie mit nichts füllen kann. Paul ist anfänglich verunsichert, fasst sich ein Herz und nimmt Luise erst vorsichtig, dann besorgt und tröstend in seine Arme.
»Was ist denn los, Luise?«
Aber Luise kann ihm nicht antworten, sie ist zu sehr in ihrer Trauer, in ihrer Angst und in dieser Starre der fassungslosen Unsicherheit und Mutlosigkeit gefangen. Paul streichelt behutsam Luises Kopf und küsst sie auf die Wange, so als wollte er sie nur trösten.
Doch dieser Moment der besonderen Hingabe zur Trauer und Niedergeschlagenheit verströmt gleichzeitig ein liebreizenden wie betörenden Duft von ‚Trösten-Zauber‘, dem man nicht zwangsläufig standhalten kann und dem man manchmal hilflos ausgeliefert ist. Einem Wunsch nach Umarmung und dem Gefühl nach Zuspruch wie eine Seelenmassage, die das Herz erfüllt, den Geist erfrischt und den Körper stimuliert und sich dann unerklärlich verselbstständigt – unaufhaltsam! So, wie eines zerbrechlichen und sich womöglich steigernden Gefühls nach körperlicher Erfüllung plötzlich, einem Zwang nach Wollust auf einmal – unstillbar dieser Druck, der sicherlich nach mehr verlangt oder sogar bittet als nur dem liebevollen Streicheln und Berühren von Haut, um Wunden zu lecken damit diese geheilt werden können. Da ist er nun, der besonders zaghafte Drang, Elfensanft geduldig und spröde zugleich, dieser zärtliche Moment, dem man nicht zu widerstehen vermag, und dem man sich in gewissen Augenblicken – von aller Schuld und Sühne in dieser Welt befreit – rücksichtslos ohne Scham und Reue lustbetont und erregt hingeben kann. Weil man das so will oder weil man sich der eigenen Verlockung und der fremden Verführung erst recht nicht erwehren kann.
Und Paul scheint diese unerwartet aufregende und körperliche Nähe zu Luise besonders zu genießen. Er riecht an ihrem Haar und schließt seine Augen, während Luise weiterhin bitterlich weint. Pauls auskostendes Gesicht ist alles andere als die Miene eines Mannes, der nur Trost spenden will. Als würden man, ungeachtet unserer Liebe und der Rechtschaffenheit dem Leben gegenüber, manchmal das Schlimmste erwarten, in der Hoffnung, dass es niemals eintreten möge, passiert genau das! Wie eine schreckliche Prophezeiung, die unumkehrbar ist und nach Vollzug verlangt:
Unvermeidlich wandert Pauls Mund in Richtung Luises Lippen. Augenblicklich küsst er sie zärtlich auf den Mund, wieder und immer wieder. Sein Atem wird erregt und er weitet seine Küsse unzüchtig und leidenschaftlich zu Luises Hals aus. Er liebkost und küsst ihre Haut und ihr Gesicht so heißblütig und ungestüm, wie er nur kann, als wäre es das letzte, was er seinem tristen aber erfolgreichem Leben in Verzückung an liebgewonnener Schönheit – wie tollwütig getrieben – abzugewinnen vermag.
Überrumpelt und angewidert zugleich, lässt Luise diese Küsse von Paul über sich ergehen. Ihre Augen richten sich kalt und unbeteiligt in die weite Umgebung, so, als wäre sie ganz mit sich allein. Sie starrt abwesend in die Mulde und hört in Gedanken Stimmen und Geräusche, als würde sie sich bestimmte Vorgänge vorstellen wollen oder sich an diese sogar erinnern können:
Sie hört Blätterrascheln, dann Körper, die in die Mulde spielerisch und fröhlich hinunterpurzeln. Vergnügte Stimmen, die sich körperlich scheinbar annähern, leiser werden und dann plötzlich verstummen. Sie hört, wie jemand einer jungen weiblichen Stimme brutal und sehr fest den Mund zuhält und so kräftig an der Kleidung zieht und zerrt, bis diese unüberhörbar laut und verhängnisvoll zerreißt. Sie hört den erstickt gequälten Schrei der jungen Stimme, die durch die zuhaltende Hand hindurch vergeblich nach Hilfe oder Gnade zu betteln versucht, wahrlich unerhört dieser Schrei, der wie ein kaum wahrnehmbares dumpfes Geräusch zwischen den Bäumen in der weitläufigen Waldlandschaft allmählich verhallt.
Dann nimmt Luise ein keuchendes und erregtes Atmen wahr und sie schaut an ihrem Körper herab. Paul kniet mittlerweile vor ihr auf dem Waldboden. Aus seinen anfänglichen ‚Trost-Küssen‘ an ihrem Hals werden Liebkosungen seiner Hände, die sich an ihren Beinen, an ihrer engen Jeans, erotisch und ganz sicher sexuell gierig emporstreicheln und die Nähe zu ihrem Genitalbereich suchen – in aller Hastigkeit. Seine großen Hände und sein schmallippiger Mund liebkosen, streicheln und bekleckern Luises freigelegten nackten Bauch, als wäre sie seine Geliebte. Der Mann gerät sichtlich in Wallung und aus seinem merkwürdig hechelnden Atem erwächst ein lautes Stöhnen, das definitiv nach mehr verlangt als nur diese Küsse und Liebkosungen mit Luise in diesem Augenblick.
Luise ist kreidebleich und ohne Regung. Sie schluckt mehrmals, stößt auf und möchte sich am liebsten übergeben – sie kann aber nicht. Es sind gefühlt die längsten und furchtbarsten Augenblicke, die sie in ihrem Leben erlebt, und das jetzt schon zum wiederholten Mal. »Wann hört das endlich auf?« ruft sie in ihrer Verzweiflung und horcht auf einmal ganz bewusst und konzentriert in sich hinein, als hätte ihr eine heimliche Stimme eine wichtige Botschaft geschickt. Sie hört ganz genau hin … und ja, sie hat diese Nachricht verstanden!
Sie verweilt einen Moment lang gedankenlos. Sie schließt ihre Augen und atmet sehr tief – und länger als die vielen Male zuvor – viel Luft durch die Nase ein. Danach atmet sie sehr langsam und bedächtig diese Luft aus dem Mund wieder aus. Plötzlich und ohne Vorwarnung stößt sie Paul ihr Knie mit voller Wucht gegen sein Brustbein und tritt ihn heftig und kraftvoll, so fest wie sie nur kann, mit dem Fuß von sich weg.
»Das reicht! Nie wieder! Hörst du?«
Ihre Stimme ist prägnant und bestimmend! Luise wundert sich über sich selbst, dass sie nicht vor Wut brennt und dass sie ihn auch nicht laut genug anschreit, sondern dass sie sich ganz deutlich mit einem unendlich guten und erlösenden Gefühl der Befreiung an dieser Stelle ganz spürbar fest mit dem Waldboden verbunden fühlt.
Paul verliert das Gleichgewicht und fällt unkontrolliert nach hinten und knallt unglücklich hart mit dem Hinterkopf auf die scharfe Kante eines Baumstumpfs auf, der dort zufällig steht. Paul bleibt regungslos am Waldboden liegen. Blut strömt ihm nach und nach, sicher und langsam aus dem Hinterkopf heraus, das allmählich im Waldboden versickert, als wollte es unter gar keinen Umständen verräterische Spuren hinterlassen. Luise beugt sich zu Paul hinunter. Ihr Blick ist nicht von Schuld oder »Was habe ich nur getan?« Selbstvorwürfen geplagt, wie es in diesem Augenblick vielleicht angebracht wäre. Nein! Luise fühlt sich an einen Satz erinnert, den sie schon lange mit sich herumträgt, aber nicht mehr nachvollziehen kann, wann und wie er in ihr zustande kam:
»Wo die Liebe hinfällt, da versickert sie im Boden!« Sie ist voller Verachtung und ohne Mitgefühl – sie fühlt sich endlich erlöst.
Wie aus dem Nichts – mit viel weißem Rauch von magischen Händen hingezaubert – hockt plötzlich Tim neben Luise. Er schaut sie mitfühlend an und überreicht ihr beiläufig wie selbstverständlich den großen Böller, wie auch ein Feuerzeug, das er ebenfalls bei sich hat. Luise ist überrascht und dennoch überglücklich über Tims Anwesenheit, gönnt sich einen kurzen Moment Pause, nimmt den mächtigen Knallkörper an sich und platziert diesen in das Innere der Hose von Paul – in seinen Schritt. Sie zündet die Lunte an und wendet sich angewidert ab.
Luise setzt ein erleichtertes und triumphierendes Gesicht auf, während sie sich vom Tatort entfernt. Weit weg hinter ihr erklingt anschließend der sehr laute und dumpfer Knall des großen Böllers, dessen mächtige Explosion Stoffreste von Pauls Kleidung wüst und wahllos – und mit viel Rauch – durch die Luft wirbelt und irgendwohin in den Wald hineinschleudert.
Und im gleichen Moment donnert und kracht es so gewaltig laut, als wäre ein Blitz in die Mulde eingeschlagen, so bedrohlich und glühend heiß, dass es alles um sich verbrennen wird, gleißend hell und sagenhaft leuchtend dazu, wie eine Verheißung in taumelnder Herrlichkeit. Ein kurzer Moment der Stille, und dann:
Paul legt seine Hand sanft aber auffordernd auf Luises Schulter.
»Komm Luise, lass uns schnell zurück gehen, es zieht ein Gewitter auf!« sagt Paul.
»Was?« Luise versteht die Welt nicht mehr!
Sie ist derart erschrocken, zuckt mit Gänsehaut zusammen und sieht mit größter Befremdung Paul so an, als würde sie einen Geist sehen. Sie schaut sich hastig um, als müsste sie sich hier und jetzt gänzlich neu orientieren. Sie schaut auf den Waldboden. Da ist weder ein Baumstumpf, noch liegt dort jemand! Was ist nur passiert, fragt sie sich derart verwundert, als hätte sie einen schlimmen Albtraum erlebt, der sich so real angefühlte hat, dass sie in einen Brunnen fiel, der so unendlich tief war, dass sie nie auf dem Grund aufgeprallt ist. Oder dass sie mit überreifen und sehr saftigen großen Tomaten gesteinigt wurde, so lange, bis das Fruchtfleisch sich in sehr heißes Apfelmus verwandelte, das ihre Haut anschließend klebrig verbrannte. Sie versteht es nicht! Dann fasst sie sich an ihr Gesicht und merkt, dass es trocken ist, und dass keine Spuren von Tränen auf ihren Wangen sind. Und dann wird ihr schlagartig klar:
Nichts ist passiert, nicht das geringste von dem, was sie sich so sehr abmühte vorzustellen, alles nur Lug und Spuk? So ein Schweinehund, Elender! flucht sie innerlich, laut und angestrengt. Doch die Realität hat sie wieder eingeholt und nichts anderes zählt in diesem Augenblick – scheinbar!
»Du bist ja ganz blass, Luise, geht es dir gut?« fragt Paul.
»Klar geht’s mir gut!« antwortet Luise, wie bestellt.
»Was ist passiert? Du warst auf einmal … ganz weit weg!« sagt Paul.
Luise sammelt sich und überlegt, wie sie pariert.
»Wir Stadtmenschen sind diese herrliche Landluft einfach nicht mehr gewohnt, weißt du? … da zünden einem manchmal die tollsten Gedanken, … ich meine, fantastische Bilder, die –«
»Bitte was … genau … zündet bei dir?« fragt der Paul, Luise ins Wort fallend.
»Du weißt schon, die Gedanken, die auf Nimmerwiedersehen in einen Brunnen fallen«, erwidert Luise. »Klatsch! Klatsch! Oder die Erinnerungen, die wie reife Tomaten an der Wand zerplatzen, Platsch! Platsch! Verstehst du?«
»Nein, ich verstehen beim besten Willen nicht, was du mir sagen willst!«
»Nein? Bist du dir ganz sicher?« fragt Luise.
»Ja, ich bin mir ganz sicher! Ich weiß wirklich nicht, worauf du anspielst. Geht es dir auch bestimmt gut, Luise?«
»Danke … ja, mir geht es wieder besser! Mir geht es wirklich gut, mach dir um mich keine Sorgen«, antwortet Luise.
»Was war den los?« fragt Paul.
»Ich glaube, ich hatte einen kurzen Schwächeanfall … ist aber nichts Schlimmes. Irgendwelche Gespenster im Kopf!«
Paul schaut Luise verdutzt an, als hätte sie einen Überraschungsjoker aus dem Ärmel gezückt, auf den er nicht vorbereitet war.
»Das ist schon alles sehr sonderbar … aber ich freue mich, dass es dir wieder besser geht.«
»Finde ich auch, die Zeit ändert alles, nicht wahr?« sagt Luise.
»Das sagt man manchmal so, ja«, erwidert Paul, … »aber apropos Zeit, wir sollten langsam daran denken zurückzugehen, bevor vielleicht ein Sturm aufzieht.«
»Okay, lass uns zurückgehen«, sagt Luise. »Alles ändert sich, aber der Weg bleibt derselbe!«
Beide lächeln, aber keiner traut sich richtig zu lachen.
»Das stimmt, der Weg ändert sich nicht!« sagt Paul.
»Noch nicht!« erwidert Luise.
Die beiden gehen mit zügigen Schritten und im sicheren Abstand zueinander zurück. Aber diesmal nehmen sie den abkürzenden Pfad, von dem Paul gesprochen hatte. Und der Himmel zieht sich nicht weiter zu, wider Erwarten, und es droht scheinbar auch kein schweres Gewitter, vielleicht nur leichter Regen.
»Paul, was ich schon immer wissen wollte … gehört dieser Wald ebenfalls zu eurem Besitz, die ganzen Dreihundert Hektar?«
Paul schmunzelt. »Nein, nicht alles, wir sind doch keine Großgrundbesitzer, wo denkst du hin! Nur hundert Hektar ungefähr, bis zur tiefen Kuhle, da, wo wir uns getroffen haben. Da ist die Grenze.«
»Das ist auch nicht wenig«, sagt Luise.
»Das ist richtig«, sagt Paul. »Man muss wirklich dankbar sein, dass man so viel Natur sein Eigen nennen darf. Das ist schon etwas Besonderes. Damals, als wir das Landhaus gekauft, kernsaniert und umgebaut haben, ergab sich eine günstige Gelegenheit, dieses Stück Naturwald zu erwerben. Und da haben wir zugeschlagen.«
»Verstehe, und aber wer kümmert sich um den Wald?«
»So gesehen, Niemand!« antwortet Paul. »Dieser Naturwald ist so angelegt, dass er sich selbst regulieren soll. Es ist ein Wilder Wald, der letztendlich Wildnis werden soll; das ist die Idee. Mal schauen, wie lange wird das so aufrechterhalten können, dass der Wald so unberührt bleibt. Man weiß ja nie. Und es gibt tatsächlich einen Förster, der manchmal, sozusagen, nach dem Rechten sieht. Aber eigentlich ist das nicht nötig. Das ist ein alter Bekannter von mir, er macht das mir zuliebe. Ich hatte ihn seinerzeit darum gebeten. Du weißt ja, sicher ist sicher!«
Luise versteht, was Paul meint und sie denkt, dass sie nicht weiter nachfragen möchte, denn ihre schnelle Gangart ist schon anstrengend genug. Und nach einer Weile:
»Der Weg zieht sich länger, als man denkt«, sagt Luise.
»Genau! … Ach übrigens, bevor ich das vergesse. Was ist denn jetzt mit der Partnerschaft, klappt das?«
»Ich weiß noch nicht, eigentlich schon, aber es gibt noch ein paar kleine Hindernisse zu stemmen.«
»Was denn?« fragt Paul.
»Ich muss unbedingt dieses Projekt am Spreeufer eintüten, besser noch realisieren, dann wahrscheinlich schon. Bestimmt sogar. Das ist der Deal soweit. Ich hatte dir doch mal davon kurz erzählt, oder?«
»Stimmt! Ich erinnere mich. Und wovon genau hängt die Umsetzung ab?«
»Ich muss die privaten Investoren überzeugen, ganz einfach!« sagt Luise und lächelt.
»Klar. Was sonst!« entgegnet Paul.
Paul denkt kurz nach, während beide zügig weiterlaufen.
»Du kannst jederzeit, falls doch alle Stricke reißen, auch für uns arbeiten. Wir haben wirklich viel und gut zu tun. Wir finden sicherlich ein schönes und wichtiges Projekt für dich, dass dir Freude macht und kein Stress!«
»Ich weiß, Papa!«
Der Vater stutzt für einen kurzen Moment uns schaut Luise flüchtig an.
»Gut! Ich wollte dir das nur gesagt haben.«
Während die beiden ihren Weg weitergehen, ist Luise körperlich gefasst und ihre Stimmung ist den ‚Umständen‘ entsprechend gut. Ihr Blick ist etwas nachdenklich nach unten gesenkt, als suchte sie Rat, Verständnis und Auflösung der Ereignisse zugleich. Vater Paul schaut aufrecht, als wollte er entschlossen und eilig sein Ziel erreichen.
y
Die Schlechtwetterlage hat sich in der Zwischenzeit tatsächlich gelegt, denn kräftige Windböen vom Nordatlantik aufkommend, haben über den südwestlichen Landstrich des Waldgebiets die Regenwolken schneller vertrieben als vermutet. Nach etwas mehr einer guten halben Stunde ihrer Wanderschaft erreichen Luise und Paul wieder den alten gewohnten Pfad, der beide sicher zum Haus zurückführt. Luise wirkt sichtlich angestrengt und teils erschöpft, als sie den Innenhof des Landhauses wieder betreten und kündigt ihrem Vater ihre weiteren Pläne an.
»Ich hole noch das Geschenk für Tim aus dem Auto und dann muss ich auch schon los.«
Überrascht bleibt Paul stehen und schaut seine Tochter einen Moment lang an, als würde sie das nicht wirklich so meinen.
»Was ist denn mit Kaffee und Kuchen? Willst du nicht doch bleiben?« fragt der Vater.
»Nein, mir ist irgendwie der Appetit vergangen«, erwidert Luise. »Ich muss nach Hause, hab’ noch einiges zu tun. Wirklich!«
Der Vater merkt, dass er vielleicht Luise besser in Ruhe ziehen lässt, und dass seine Tochter es wirklich ernst meint. Denn ihm ist nicht entgangen, dass Luise die ganze Zeit etwas mit sich herumträgt und sich merkwürdig verhalten hat, auf das er keine Antwort hat. Paul geht einen Schritt auf Luise zu, als würde er sie zum Abschied kurz umarmen wollen, hält jedoch verunsichert inne, weil Luise sich leicht distanziert verhält. Sie macht auch keine weiteren Anstalten, ihm entgegenzukommen, und so lässt er von der körperlichen Verabschiedung kurzerhand ab.
»Wie du möchtest!« sagt der Vater. »Ich habe auch noch einiges an Arbeit vor mir. Gut! Dann bis bald, Luise. Mach es gut und pass auf dich auf!«
»Bis dann Paul!«, erwidert Luise, den Vater nur flüchtig anschauend.
Paul geht zur Haustür, öffnet diese, bleibt kurz an der Türschwelle stehen, dreht sich um und winkt Luise zum Abschied zu. Luise erwidert seinen Gruß kurz mit einer flüchtigen Handbewegung und wendet sich ab in Richtung ihres Fahrzeugs. Danach entschwindet der Vater im Inneren des Hauses. Luise schaut ihm noch kurz nach, geht dann zu ihrem Wagen, öffnet die Beifahrertür und zieht das schöne, bunte und große Paket heraus.
U
Tim kauert auf dem Boden im Eingangsbereich und blickt auf den wild aufgerissenen Karton – sein Geschenk, das er so sehnsüchtig erwartet hat: Es ist ein mittelgroßes und hochwertiges Sportflugzeug, fertig bemalt, fein dekoriert, nichts Kriegerisches und überhaupt – sehr schön anzusehen dieser Flieger! Und eine schwarze kleine Kiste mit zwei Hebeln und einer Antenne, die ebenfalls mit im Karton liegt, werden von Tim genau begutachtet. Er schaut Luise fragend an, beinah so, als wüsste er nicht genau, wie ein Flugzeug aussieht. Luise lächelt ihn an.
»Was ist das?« fragt er.
Tim deutet mit dem Zeigefinger auf die schwarze Kiste im Karton. Luise kniet sich neben Tim herunter, um das Rätsel aufzulösen.
»Das kann von selber fliegen!« flüstert sie Tim zu.
Sie zieht die Fernsteuerung aus dem Karton heraus und legt sie vorsichtig vor Tim auf den Boden.
»Damit kannst du das Flugzeug fernsteuern, und dann fliegt das ganz von allein, so hoch wie du willst«, sagt sie und lächelt.
»Und … ja … aber … wie geht das?« fragt er.
Tim blickt Luise mit strahlenden Augen an, als wollte er unbedingt mehr darüber erfahren wollen, wie dieses Flugzeug allein fliegen kann, als die Beiden plötzlich Gesellschaft bekommen.
»Paul sagte mir, dass du wieder fährst. Ist was passiert?« fragt die Mutter. »Bleibst du nicht zum Abendessen?«
»Nein Mama, danke für das viele Essen, aber ich muss wirklich los. Hatte das wirklich ganz vergessen, hab’ noch einiges zu tun. Muss mich noch vorbereiten für –«
»Und ich dachte schon, es ist irgendwas«, sagt die Mutter, ihre Tochter unterbrechend.
»Es ist nichts … alles gut!« sagt Luise und lächelt ihre Mutter an. »Ich fühle mich prächtig. Mach dir keine Sorgen, Mama!«
»Wie du meinst, Kind! Dann holen wir das nach … ein andermal«, sagt die Mutter und lächelt zurück.
»Ja, das machen wir ganz bestimmt!« sagt Luise. »Ich muss jetzt aber wirklich los.«
Die Mutter spürt, dass ihre Tochter es wirklich eilig hat und streckt Luise ihre beiden Arme herzlich entgegen. Mutter und Tochter umarmen sich kurz und innig. Helga drückt Luise einen Kuss auf die Wange. Dann wendet sich Luise wieder Tim zu. Sie gibt ihm einen saften Kuss auf die Stirn und verabschiedet sich.
»Nächstes Mal spielen wir das, und dann zeige ich dir, wie das funktioniert, okay? Ich muss jetzt leider gehen. Aber vielleicht kann Paul dir das auch zeigen. Also mach’s gut … bis bald, mein Großer, ja?«
Tim ist aufgeregt und so sehr mit der Untersuchung des Flugzeugs und der Fernsteuerung beschäftigt, dass er nichts hört und vergisst, sich von Luise zu verabschieden. Luise kennt das von Tim manchmal so und nimmt ihm sein Verhalten deshalb nicht übel. Sie streichelt ihn sanft über seinen Kopf und geht aus der Tür. Sie geht auf dem feinen Basaltsplitt zielstrebig und ohne Eile auf ihren Geländewagen zu, steigt ruhig ein und fährt langsam vom Hof. Mutter Helga steht auf der Türschwelle, schaut Luise nach und winkt ihr zum Abschied freundlich hinterher.
V
Nach einer kurzen Fahrt auf dem schmalen Waldweg bringt Luise ihren Wagen in einer seitlichen Ausbuchtung zum Stehen. Sie hat jetzt einen wunderbar weiten Blick hinab in das schöne kleine Tal, das sich vor ihren Augen friedlich ausbreitet. Sie schaltet den Motor aus, lehnt sich entspannt zurück und blickt gedankenversunken in die Tal- und Waldlandschaft, so, als wollte sie das Erlebte noch einmal Revue passieren lassen. Nach einer Weile des geistigen Ausschweifens später merkt sie, dass sie diese Gedankenfragmente nicht so sehr genießt, geschweige denn braucht, auch die Erinnerung an bestimmte Ereignisse nicht mehr. Sie schließt ihre Augen, atmet tief und lang durch die Nase Luft ein, hält kurz inne und atmet langsam durch den Mund die Luft wieder aus.
Nach weiteren Momenten der inneren Einsicht, sich gedanklich lossagend von ihrer Wiederkehr, schöpft sie wieder Mut, holt sich selbst zurück in das Hier und Jetzt und fühlt sich plötzlich wie erlöst und glücklich zugleich – und ein zufriedenes Lächeln zaubert sich leuchtend auf ihr Gesicht. Sie ist sehr zufrieden, als würde ihr eine sehr schwere Last wahrhaftig von der Seele abfallen und ihr Herz unendlich erleichtern. Luise schaut wie befreit auf den Beifahrersitz. Da liegt der ‚Flieger mit Raketenantrieb‘, wie von magischen Händen dort abgelegt – Tims stolze und erbauliche Bastelarbeit. Es hat etwas sonderbar Archaisches und wirkt dennoch wunderschön und zeitgemäß zugleich, beinah wie ein Stück Kunst, das sich ‚begabt‘ und ‚plastisch‘ besonders imposant Luise präsentiert.
Luise steigt aus dem Wagen aus und platziert den Flieger sehr genau auf einen Baumstumpf, der, wie der Zufall so will, genau an dieser Stelle wie bereitsteht, und auf dem zwei weitere abgesägte hohe Teilstücke eines anderen Baums so aufgetürmt sind, als sei eigens für dieses Objekt eine Art Sockel insgeheim errichtet worden, um dieses wundersame Flugobjekt in seiner ganzen Pracht zur Schau zu stellen. Im nächsten Augenblick zündet Luise mit dem Feuerzeug, das Tim ihr im Wald überreicht hatte, die Lunte der Rakete an und geht zurück zum Auto und setzt sich hinein.
Luise betrachtet anschließend die gewaltige und sehr laute Explosion des Flugzeugs, das es in tausend kleine Stücke zerreißt, graue wie farbige Plastikteilchen und andere Materialien, die wild und unkontrolliert in der Luft herumgewirbelt werden. Beinahe so, als würde sie sich in diesem Moment gerne vorstellen wollen, dass diese kleinen wie größeren Bruchstücke so unglaublich langsam und träge durch die Luft fliegen könnten, dass sie alle Zeit der Welt besäße, diese wüst zerfetzenden Plastiktücke in Seelenruhe anzuschauen, um sich nicht genug an ihnen satt sehen zu können – um diesen Moment so lange wie möglich auszukosten. Sie muss in diesem Augenblick unweigerlich an ihren Lieblingsfilm „Zabriskie Point“ denken, wo in der minutenlangen Schlussszene farblich atemberaubend schöne und sich wiederholende Explosionen – in extremer Zeitlupe auf Zelluloid gebannt sehr ästhetisch anzusehen sind – viele verschiedene Dinge und Gegenstände außerordentlich gewaltig und brachial zerreißend und zerplatzend durch die Luft geschleudert werden, und damit eine der ungewöhnlichsten Endsequenzen der Filmgeschichte markieren, die man je gesehen hat. Mit dem perfekt dazu unterlegten psychedelischen Song von Pink Floyd „Come In Number 51, Your Time Is Up“. Ein fantastisch sonderbarer Film, der bestimmt nicht jedem gefallen hat oder je gefallen wird, wenn einem die Muse küsst, ihn sich anzuschauen.
Wie das Leben selbst, das ebenfalls überwältigend schön und merkwürdig düster zugleich ist, dass auch nicht jedem so gefällt oder je gefallen wird, denkt Luise und gönnt sich eine kurzen Moment Pause. Dann startet sie den Motor und fährt mit ihrem Fahrzeug davon.
Alles ist nun frei, auch die Frau,
denn sie findet ihr Kind ganz genau,
mit allem, was dazu gehört,
aber ohne Haus, Hof und Reiterpaar,
und keine weitere Seele noch dazu.
Und so geht die Frau über alles hinweg,
ist sie nun im Herzen so froh,
sollte alles so sein, wie es einmal war,
lebendig, fröhlich und strahlend schön,
das ist nun so, ganz genau.
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